„Ich fühle mich noch gut und rüstig“
Chordirektor Helmut Buß feierte 60-jährige Dirigententätigkeit
Mit dem Fahrrad zur Singstunde
WEICKARTSHAIN (eg). Mit dem Chorlied „Wir gratulieren“, eröffneten die Sänger des Männergesangvereins Weickartshain unter Vizedirigent Horst Deucker passend die beeindruckende Feier zur seltenen 60-jährigen Dirigententätigkeit von Chordirektor ADC Helmut Buß (Grünberg) im vollbesetzten Bürgerhaus. Norbert Rahn, Vorsitzender des gastgebenden Männerchores, hieß die vielen Gratulanten herzlich willkommen, um dann sogleich seine Laudatio auf den weithin bekannten Helmut Buß zu halten.
Rahn: „Wie das Protokoll vom 4. Juli 1948 zu berichten weiß, legte Chorleiter und Dorfschullehrer Erich Brück plötzlich sein Dirigentenamt des 1919 gegründeten Vereins nieder. Die Frage eines neuen Dirigenten wird vom Vorsitzenden zur Debatte gestellt. Er hat inzwischen mit einem Herrn Buß aus Grünberg Rücksprache genommen, der die Musikschule hinter sich hat und zurzeit eine Dirigentenschulung macht. Der Vorsitzende schlägt vor, mit diesem Herrn einen Versuch zu machen, derart, dass er die Singstunden und Einübung der zwei, auf dem Liedertag am 24. Oktober 1948 in Atzenhain vorzutragenden Chöre übernimmt. Von dem Erfolg dieses Auftretens sollen die Vereinbarungen mit dem neuen Dirigenten abhängig gemacht werden. Wie das Protokoll weiter zu berichten weiß, sei der Liedertag jedoch wegen Maul- und Klauenseuche nach Freienseen verlegt worden. Er muss jedoch für die Weickartshainer Sänger erfolgreich verlaufen sein, denn die Dirigentenfrage kam nicht mehr auf die Tagesordnung“.
Wie Rahn weiter ausführte, war Weickartshain für den damals 20-jährigen Musikstudenten der erste Verein. Bis heute hält der noch sehr agile Buß den Weickartshainer Sängern die Treue. Alle Ehrungen wurden ihm in dieser langen Zeit zuteil. 1988 erhielt er vom Verein zur 40-jährigen Dirigententätigkeit ein neues Fahrrad, denn sein altes war aufgrund der jahrelangen Fahrt zur Singstunde nicht mehr fahrtauglich. Das 50. Chorjubiläum fand im Rahmen eines Liederabends ebenfalls im Bürgerhaus statt. Rahn hob hervor, dass „60 Jahre gemeinsames Singen nur zustande kommt, wenn der Chorleiter und der Chor sich verstehen und insbesondere in schwierigen Zeiten einander anpassen“. Für die Zukunft wünschte er dem Dirigenten viel Gesundheit, damit er „noch lange in die Pedale treten und selbstverständlich auch weiterhin die musikalischen Geschicke unseres Vereins erfolgreich lenken kann“.
Zu den Gratulanten gehörte der Vorsitzende des Ohm-Lumdatal-Sängerbundes, Hans-Georg Teubner-Damster, der Buß die Urkunde des Deutschen Chorverbandes sowie die Ehrennadel des Hessischen Sängerbundes für besondere Verdienste für den Chorgesang überreichte. Bürgermeister Frank Ide war beeindruckt: „60 Jahre am Dirigentenpult ist eine ganz tolle Leistung“ und Ortsvorsteher Eberhard Schlosser stellte fest: „Die Singstunden in Weickartshain haben ihn jung erhalten“. Buß bescheinigte den Sängern, dass er sich noch gut an seine Jugendzeit erinnern könne. Vorausschauend meinte der 80-Jährige: „Ich fühle mich noch gut und rüstig“.
Im Unterhaltungsteil, der von Klaus Biedenkopf moderiert wurde, war Chordirektor Buß besonders gefordert, denn alle „seine“ Chöre und auch der Musikverein Grünberg waren gekommen. Der gastgebende Männerchor eröffnete das abwechslungsreiche Programm mit dem Zigeunerlied „Bajazzo“, um dann die Bühne dem Musikverein Grünberg zu überlassen. Das 20-köpfige Orchester stellte sich zunächst mit „Pippi-Langstrumpf“-Melodien vor. Gefallen konnten die Instrumentalisten auch mit dem Walzer „Erinnerung an Waldteufel“. Der Männergesangverein „Sängerkranz“ Beltershain hatte ein sehr passendes Lied parat: „Harmonie… führt uns zusammen – hält uns vereint“.
Erfrischend sangen sie „My Lord, what a morning“ mit einem Solopart von Andreas Schneider. Die Männer vom „Sängerkranz“ Grünberg fühlten sich mit Dirigent Alexander Launspach verpflichtet, Buß musikalisch zu gratulieren, da dieser bei ihnen „immer wieder eingesprungen ist“. Sie sangen sehr innig „Vineta“ und „Abendfrieden“. Vom einzigen gemischten Chor aus Wetterfeld war „“Der Frühling ist da“ und „Unsere kleine Nachtmusik“ in Anlehnung an Mozarts Komposition zu hören. Gemeinsam mit den Grünberger Bläsern gefielen sie mit „Conquest of Paradise“.
Höhepunkt des Abends war der gemeinsame Auftritt der Wetterfelder, Beltershainer und Weickartshainer Sänger mit dem Musikverein. Mit über 90 Sängerinnen und Sängern erklang der „Chor der Gefangenen“ aus Verdis Oper „Nabucco“. Das Publikum war begeistert und bekam die Zugabe. Schließlich sangen Beltershain und Weickartshain „Rivers of Babylon“ mit Gitarrenbegleitung von Horst Deucker, bevor beide Chöre mit den Grünberger Bläsern den populären „Hoch und Deutschmeister“ vortrugen und damit einen beachtenswerten Schlusspunkt setzten. Fazit: eine rundum gelungene Feier mit ausgezeichneten Chorvorträgen und einer hervorragenden Organisation.
Der Chorleiter und sein „Guutz“-Lieferant
Verwandte, Freunde und zahlreiche Chöre waren am Samstag in das Weickartshainer Bürgerhaus gekommen, um Chordirektor Helmut Buß zu seiner 60-jährigen Dirigententätigkeit im Männergesangverein zu gratulieren. Unter ihnen drei Sangesveteranen, die es sich nicht nehmen ließen, bei dieser Feier dabei zu sein. Dass das Trio bereits 257 Jahre „auf dem Buckel“ hat, tat ihrer Fröhlichkeit keinen Abbruch. Der älteste unter ihnen, Erwin Deubel (Mitte), 94 Jahre alt, kam in alter Treue aus dem Kreis Lauterbach angereist. Dorthin war der Tenor vor drei Jahren zu seinem Sohn gezogen. Bis dahin hatte er 77 Jahre seine Stimme bei den Weickartshainer Sängern erklingen lassen. Edmund „Ede“ Glapa (links, 84),- langjähriger Vorsitzender des Vereins und immer für ein Späßchen zu haben, war genau so dabei wie der jüngste im Bunde, Arnold Dörr, der in wenigen Wochen seinen 80. Geburtstag feiert. Dörr ist nicht nur aktiver Sänger, sondern auch – wenn die Stimmbänder des Dirigenten zu schwächeln beginnen – seit Jahren sein „Guutz“-Lieferant. Welche Bonbons dem Chorleiter wieder zur Stimme verhelfen, bleibt jedoch Dörr’s Geheimnis. (gol/Foto: Golz)